Er sitzt mit seiner Geliebten im Taxi. Sie haben gerade geheiratet. Beide sind nicht älter als 20 Jahre. Sie strahlt. Er ebenfalls. Schaut dann für einen Moment ratlos. Diese Szene erinnert stark an DIE REIFEPRÜFUNG. So bezaubernd und doch so melancholisch wird damit das zerrüttete, karriere- und krankheitsgeplagte Leben des Ian Curtis, Frontsänger der Band 'Joy Division', eingeleitet.
Curtis ist ein Mann und Musiker, der seine Gefühle nur bei den engsten Geliebten und den eigenen Werken zum Ausdruck bringen kann. Und diese sind von Schmerzen geplagt, depressiv durch und durch. “I can now see everything falling to pieces before my eyes.” Nachdem er beschlossen hat, der Sänger einer Band zu werden, die eben verzweifelt auf der Suche nach solch einem waren, schoss er schlagartig in ein anderes Leben. Und musste damit klar kommen. Oder es immerhin realisieren, dass er damit klar kommen muss. Doch es ging so schnell, zu schnell für einen psychisch belasteten Menschen der dazu unvorteilhafterweise auch nach an Epilepsie litt. Neben der Karriere macht die schwangere Frau das Leben nicht viel leichter. Und der Job beim Arbeitsamt, denn das große Geld kommt nicht sofort.
"Ich stehe da oben und singe, aber niemand hat eine Ahnung davon, wie viel es mich kostet und welche Auswirkungen das auf mich hat. Und jetzt wollen sie noch mehr, sie erwarten immer mehr. Ich weiß aber nicht ob ich das kann. Es ist als würde all das nicht mir passieren, sondern jemanden, der zwar aussieht wie ich, aber nur vorgibt ich zu sein."
Ablenkungen wie Affären verstärken den Sog des Kummers nur noch und die schwarz-weißen Poesiebilder wirken von Szene zu Szene immer dunkler. Curtis Leben war kein schönes. Er war nie ein Mensch, der solch einen Lebenswandel hätte aushalten können. Der Ausstieg aus dem Ganzen scheint unmöglich und so kalt er stellenweise auch wirken mag, an seine Bandkollegen denkt er auch. Denn ohne seinen markanten Tanzstil und der Bass-Bariton-Stimme wäre Joy Divison nicht groß geworden, groß geblieben.
CONTROL ist ein Biopic, das auf konventionelle Regeln verzichtet, und das bestmögliche dafür tut, den 'Helden' des Filmes so darzustellen, wie es sein sollte. Nicht wie es einige gerne hätten. All seine dunklen, deprimierenden Seiten mussten zur Schau gestellt werden. Die wenigen, glücklichen Abschnitte durften sich nur leicht in das Gehirn brennen. Anton Corbijn hat sich genau das vorgenommen und umgesetzt.
Curtis Leben ist sicherlich kein beneidenswertes, doch auf jeden Fall fasziniert es. Eine so gewaltige Stimme, die dazu noch eine Unmenge an Talent und Kreativität besitzt, hätte eigentlich die besten Chancen in diesem Geschäft. Doch irgendwo müssen ja auch die negativen Eigenschaften verteilt werden und deswegen war Ian's Tod nach dem ersten Epilepsieanfang beschlossene Sache.
Die entfärbten Bilder wirken wie eine lange Fotografieausstellung, unterstreichen das trotz dem Medienrummels triste Leben des Ian Curtis und erzählen, wie er zwischen Wohnsiedlungen und Clubs seinen letzten Auftritt hinlegt, noch einmal "Ich liebe dich" sagt und sich dann verabschiedet.
"Ich bin gefangen in einem ständigen Kampf zwischen dem was ich für mich als richtig empfinde und der verzerrten Wahrnehmung der Anderen."
8.0/10
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