„This
little light of mine, I'm gonna let it shine.“
Es
gibt sie doch noch. Diese seltenen, unfassbar seltenen Augenblicke in
denen man das Bild aufflackern sieht und nach wenigen Sekunden merkt,
das ist was Einzigartiges. Etwas wahrlich einzigartiges. Ein
vollkommenes Unikat. Ein von der Vergangenheit gebeutelter Mann, ein
Mann von der Zeit gezeichnet, ein Regisseur, eine Vision, ein Film.
Jonathan
Caouette hatte diese Visionen, diese Träume schon immer. Er war in
ihnen gefangen, er wollte in ihnen gefangen sein, er lebte sie. Ein
Mann der seine Träume lebt, beachtlich. Einer dieser Träume war
TARNATION. Ein Film über sein Leben, alle Dinge die ihn geprägt
haben, die ihn zu dem gemacht haben was er ist.
Mit
200 Euro und einem I Mac verwirklicht er diesen Traum. Verrückt und
ebenso genial denn die Wirkung, welche der Streifen auf den Zuschauer
ausübt, ist eine wahnsinnig intensive.
Jeder
Mensch hat seine Probleme, mal sind sie mehr mal weniger traurig,
doch beschäftigen tun sie uns alle. In Tarnation zeigt uns Caouette
eine einschüchternde, erschütternde und wahre Geschichte. Teilweise
unmenschlich, hasserfüllt und dennoch so einfühlsam. Ein
beachtenswerter und beeindruckender Mensch, der sich hinter der
Kamera befindet. Seine Probleme sind außergewöhnlich, sie sind
schwerwiegend und traurig. Abstoßung und Bewunderung treffen so
häufig aufeinander wie nie zuvor.
TARNATION
erzählt seine Geschichte auf sehr unterschiedliche Weise. Einmal
werden verschiedene Polaroids und Fotos gezeigt, einmal wird die
Geschichte in Schriftform weitererzählt, ein anderes Mal hält uns
der Anrufbeantworter auf dem Laufenden, Mal sind es Telefonate. Der
Film ist unberechenbar, unvorhersehbar und völlig eigen. Häufig
bleibt der Zuschauer im Unklaren mit was er jetzt eigentlich
konfrontiert wird. Eine Reizüberflutung an Bildern, Eindrücken,
Gesichtern und Menschen gepaart mit einer ebenso passenden wie
gefühlvollen Musikauswahl, sorgen für einen Mix aus
Fassungslosigkeit und Verblüffung. Jonathan Caouette arbeitet
manipulativ und in höchstem Maße effektiv. Er weiß welche Wirkung
welches Puzzleteil seines Traums auf den Zuschauer hat, er weiß es
ganz genau. Schonungslos und Kompromisslos setzt er dieses Wissen ein
und lässt ein Kunstwerk auf den Zuschauer los, dessen Wirkung er
hoffnungslos ausgesetzt ist.
TARNATION
zeigt die Suche eines Menschen nach sich selbst. Der Film zeigt die
Verarbeitung der Vergangenheit, der Film zeigt Liebe wie sie noch nie
zu sehen war. Ehrlich, aufrichtig und für jeden ersichtlich prasselt
der Gefühlscocktail auf die Linse ein. Es ist ein Streifen in dem
der Zuschauer als Sieger hervorgeht. Der Zuschauer sieht, hört und
liest grauenvolle Dinge, empfindet Ekel, Mitleid und ist überfordert,
doch was am Ende bleibt ist Liebe und Aufrichtigkeit. Was am Ende
bleibt ist ein fulminantes und außergewöhnliches Regie-Debüt, was
am Ende bleibt ist der visuell in Stein gemeißelte Traum eines
Menschen, der eben die Dinge anpackt und in die Tat umsetzt, die er
sich so sehr wünscht. TARNATION ist nicht nur sehenswert, sondern
Pflicht für jeden Filmliebhaber, der etwas sehen möchte, dass es in
dieser Form noch nie gab. TARNATION hinterlässt Spuren und wirkt
nach, der Zuschauer schämt sich für seine läppischen Problemchen.
Vielleicht ist TARNATION deshalb so wertvoll, weil der Film einem
zeigt wie viel Glück man doch eigentlich hat.
„It
is still a beautiful world.“
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