Stille.
Eine Minute kann verdammt lang sein, das lehren uns Bande à
part, Vargtimmen und bestimmt noch ein paar andere Filme, die
ich noch nicht kenne.
Müsste ich mich für eine wirklich immer geltende Möglichkeit
entscheiden, einen Film zu intensivieren, würde ich mich für die Schweigeminute
entscheiden.
Plötzlich wird man aus den Geräuschen rausgerissen und wagt sich
nicht mehr zu bewegen. Die Sekunden verstreichen schmerzhaft und obwohl ich
mich bei solchen Szenen eingeengt fühle, spüre ich auch eine gewisse Freiheit
in der Luft. In solchen Momenten kann einfach alles passieren. Still sitzen die
Protagonisten da und still sitze auch ich da, alles was ich noch höre ist ein
Piepsen. Ich weiß nicht was es für ein Piepsen ist und ob ihr das kennt, aber
wenn ich ganz ruhig bin, kristallisiert sich aus der anfänglichen Stille
plötzlich ein alles durchdringendes Piepsen heraus.
Diese Schweigeminuten sind wohltuend, selten, aber auch gruselig. Denn
irgendwie sind wir andauernd von Geräuschen umgeben. Morgens das Radio, dann
der Verkehr, Schreie und Gerede von Menschen, ohne Unterbrechungen auf uns
einstürzende Reize, sogar unsere Träume sind fast immer von Geräuschen
begleitet und Filme lassen uns erst Recht nicht in Ruhe.
Doch plötzlich ist der
Ton abgedreht, die Zeit wird intensiviert und gestreckt, alle trivialen
Gedanken verschwinden und es entsteht eine angenehme Leere im Kopf, die anfangs
noch etwas ungeduldig rum hüpft, nach und nach aber total verstummt.
Und dann geht der Ton nach einer halben Ewigkeit - dabei war es nur
eine simple Minute - wieder an und ich fühle mich so, als ob ich aus tiefem
Wasser auftauchen würde und im Himmel ein Feuerwerk stattfindet. Diese
Schweigeminuten wirken so surrealistisch, dabei ist es nur das, was ist, wenn
alles andere nicht mehr da ist.
Aber nicht nur in Filmen ist diese absolute Stille intensiver als
alles andere, auch im wahren Leben gibt es solche Momente.
Ich erinnere mich da an die Zeit, in der ich morgens noch keine Musik
hörte. Ich stand an einer gut befahrenen Kreuzung und hörte das Vorbeirauschen
der Autos schon fast gar nicht mehr, so normal war es. Ganz selten kam es dann
vor, dass plötzlich eine Lücke im Verkehr war und für eine halbe Minute absolut
kein Autogeräusch mehr zu hören war. Ich begriff auf eine sonderliche Weise die
Gegenwart und für einen kurzen Moment erschien mir alles wie verzaubert.
Ein anderes Beispiel wäre auch noch eine reale Schweigeminute in der
Schule vor ein paar Jahren. Ich hatte damit gerechnet, dass zumindest noch ein
paar freche Schüler auf dem Pausenhof ein Geräusch machen würde, wie ein
Räuspern beispielsweise. Doch wirklich die ganze Schule verstummte und auch
wenn ich sonst niemand bin der trauern kann, drängte in dieser Minute sämtliche
Traurigkeit, die ich je im Leben empfunden hatte, noch mal hoch und erstickte
mich fast.
Vielleicht ist diese vollkommene Stille wirklich etwas Surreales,
etwas Besonderes. Wenn man mal drauf achtet, wird man merken, dass Stille in
dieser lauten Welt ein wahrer Luxus ist - sogar in den Filmen. Ja Luxus, wir
sollten diese Momente geniessen und versuchen sie uns öfters zu gönnen. In der
Badewanne untertauchen oder nachts in einen stillen Raum schleichen und sich
andächtig hinsetzen.
Oder einfach ganz oft Bande à part oder Vargtimmen anschauen und die dortige Stille genießen.
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