Wir alle bewerten
unsere gesehenen Filme irgendwie. Sei es mit dem einfachsten, ein schlichtes
„gut“ oder „schlecht“ oder mit Notensystemen oder ausgefeilteren Steigerungen
von Adjektiven. Selbst, wenn wir es nirgendwo sortieren, aufzeichnen etc.
wissen wir doch nach jedem Film zumindest innerlich, wie wir ihn fanden, was
uns gefallen hat und was nicht.
Manchmal schaut man aber
einen Film, bei dem man danach noch nicht mal sagen kann, ob man ihn jetzt gut
oder schlecht fand. Ratlos sitzt man dann da und alles, was irgendwie gut war, war
auch schlecht und andersrum genauso.
Es gibt Filme, die
unsere Wertvorstellungen, unsere Moral, unsere Ethik, unsere Konventionen so
gewaltig brechen, dass wir einfach nicht wissen, ob wir das jetzt gut finden
oder schlecht und vor allem, was wäre wenn wir den Film gut oder schlecht
finden würden und auch, was das über uns aussagen würde.
Letztens sah ich Possession und er war einer dieser unbewertbaren Filme, was man schon alleine
daran erahnen kann, dass er zu der einzigartigen Love-it-or-hate-it-Filmsorte
gehört.
Warum hat der Film
mein Gemüt nur so in zwei gespalten? Nicht nur, dass der Film zu besagter Sorte
gehörte, er gehörte auch zu der Sorte Film, die ich versuche nur einmal im Jahr
zu sehen, quasi als kleines Kontraprogramm, weil ich weiß, dass sie mich eben
in jene Verwirrung stürzen wird. Normalerweise geh ich ruhig an diese Filme
ran, versuche mich darüber zu informieren, was mich erwartet und sehe zu, dass
ich auch danach meine Ruhe habe, um mich mit dem Gesehenen auseinanderzusetzen.
Manche mögen jetzt die Stirn runzeln, was denn jetzt so schlimm sein soll, dass
ich den ganzen Aufwand mache, aber ich konsumiere Filme nicht nur, ich will
mich auch mit ihnen befassen. Ich will sie nicht unbedingt auseinanderpflücken,
wie man das ja so gerne mit den unschuldigen Gedichten in der Schule tut, aber
ich will sie verstehen, will mich von ihnen inspirieren lassen und auch etwas
über mich und die Welt lernen. So zumindest die Idealvorstellung.
Bei dieser Sorte
Film, zu der Possession gehört, ist die vorerst einzige Frage, die ich mir
danach stelle, ob ich nicht ein bisschen durchgeknallt bin, so etwas bis zum Ende
zu schauen. Und weil ich dieses Fragegefühl nicht allzu gerne habe, versuche
ich mir halt nur einen Film dieser Sorte pro Jahr zu gönnen. Das habe ich
letztes Jahr angefangen, also ist es noch gar nicht so lange her. Letztes Jahr
war es Seul contre tous und dieses Jahr Antichrist. Also sollte es für dieses
Jahr gedeckt sein, wenn nicht durch Zufall Possession im Fernsehen gelaufen
sei und ich mir gedacht hätte „den musst du aufnehmen“. Und dann war es auch
schon Dienstag und ich war mal wieder in einem dieser verzweifelten, dunklen
Seelenlöchern gelandet, in die man halt landet, wenn man zu lange von Idioten
umgeben war und man zudem auch noch Pech am laufenden Band hatte und sich nur
wünscht, das Leben vorspulen zu können, bis es wieder gut wird. Nun ja, da ich
dann auch am Abend Sturm hatte und dringend etwas filmischen Horror brauchte,
entschloss ich mich diesen Film zu schauen.
Während dem Schauen
wurden alle Dinge erfüllt, die normalerweise Anlass sind, den Film extrem gut
zu finden: ich konnte keine Sekunde, die Augen abwenden, schaute niemals auf
die Uhr und fragte mich auch niemals im Stillen, wann und wie es wohl enden
würde. Doch als es zu Ende war und ich mit klopfenden Herzen und aufbrodelnder
Übelkeit den Abspann gesehen hatte, wusste ich absolut nicht, ob ich es gut
oder schlecht fand. Oder viel besser formuliert: Darf ich das gut finden? Darf
ich das schlecht finden? Und vor allem, was sagt das über mich aus? Wenn ich
das gut finde, bin ich dann krank und pervers? Wenn ich das schlecht finde, bin
ich dann engstirnig und verklemmt?
Eins war klar, es
kann kein Mittelmaß geben. Das wäre feige und selbstbelügend gewesen. Denn ich
empfand ja etwas überdurchschnittliches, nur wusste ich nicht, ob es positiv
oder negativ war. Diese Gedanken zogen auch weitere, tiefgründigere nach sich.
Wenn ich das jetzt
gut finde, wie begründe ich das? Wenn ich das schlecht finde, wie begründe ich
das? Was sagen eben jene Begründungen über mich aus?
Und so zog ich mich
von Metaebene zu Metaebene höher auf dem Weg der kompletten Selbstverwirrung.
Ich beschloss erst einmal drüber zu schlafen und legte meine kompletten
Hoffnungen in die Regeneration meiner Gedanken mithilfe des Schlafes.
Diese wurden aber
nur teils erfüllt, denn am Nächsten Morgen wusste ich nur eins: es spielt keine
Rolle, ob ich krank im Hirn bin, wenn ich das jetzt gut oder auch schlecht
finde, denn daran kann ich ja dann eh nichts ändern, aber vielleicht sogar
erkennen.
Den ganzen
restlichen Tag dachte ich weiter nach,
achtete aber darauf mich nicht wieder in den moralischen Stricken zu verfangen
und beschloss schließlich nur die künstlerische Seite des Filmes zu bewerten,
die ja sehr gut gewesen war.
Denn es gibt einfach
Filme jenseits von Gut und Schlecht, die sich in kein Wertsystem eintragen und
die sich auch keine ethischen oder moralischen Bändchen um den Hals hängen
lassen.
Hm, das Ende führt ein bisschen zu dem, wie es meiner Meinung nach wirklich ist. Denn ich finde, das ist eigentlich ganz simpel: man kann doch eigentlich jeden Film gut finden, es ist ja schließlich ein FILM. Das passiert als nicht wirklich.
AntwortenLöschenGleiche Diskussion eigentlich viel bei den viel diskutierten "Killerspielen": ist man schlecht, weil man SELBST andere (virtuelle) Personen erschießt? Nein, NATÜRLICH nicht. Warum sollte man es dann sein, wenn man etwas anschaut, in dem etwas Vergleichbares passiert?
Film ist eben Film, man kann das gut finden, wenn man möchte, da spricht mMn nichts dagegen.
Es sagt aber doch schon irgendwo etwas über jemanden aus. Wenn man sich bei Horrorfilmen leicht erschreckt, heisst das doch irgendwie, dass man schreckhaft ist. Wenn man bei einer bestimmten Art Humor lacht, sagt das auch etwas aus. Und bei Filmen wie "Possession" können die Reaktionen ja noch unterschiedlicher sein: man kann es toll finden, ekelhaft, es kann einem gleichgültig sein, vielleicht fühlt man Spannung, Wut oder Traurigkeit und ich finde, da darf man sich selber schon die Frage stellen, welche Reaktion was über einen aussagt, auch wenn keine Antwort gefunden werden muss - und schon gar keine allgemeingütige ;)
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