(2013) / FR, KR, US / Laufzeit: ca. 126 Minuten / FSK: 16 / Drama, Sci-Fi
von Joon-ho Bong, mit Chris Evans und Tilda Swinton
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Wir kennen unsere Gesellschaft. Jeder, wenn er nicht gerade im australischen Busch lebt um sie zu ignorieren. Man gehört einer Schicht an. Das ist so. Die Unterschicht, Menschen die von Tag auf Tag schauen müssen, wie sie überleben. Die Mittelschicht, die das monatlich machen muss. Und natürlich die restlichen 5 %, die sich wirklich ernsthafte finanzielle Gedanken nur dann machen, wenn sie sich entscheiden, an welchem Strand sie ihr nächstes Haus kaufen wollen. Oft nicht einmal dann. So unfair das auch klingen mag, gibt es denn einen anderen Weg? Würde das System funktionieren, wenn wir alle glücklich wären, alle genug Geld hätten? Eine Utopie ist nicht umsonst etwas fiktives. Doch auch etwas umsetzbares?
Joon-Ho Bong (Memories of Murder) schnappt diesen Gedanken in seiner Comic-Adaption SNOWPIERCER auf. Erstmal vereinfacht er das Ganze in metaphorische Bilder: Ein langer Zug, aufgeteilt in Abteile, welcher durch eine apokalyptische Eiswüste fährt, immer weiter, ohne Halt, alles mit dem Ziel, das alle Passagiere überleben sollen.. Kein Zug der deutsche Bahn, in dem sich die verschiedenen Klassen geringfügig durch etwas mehr Platz oder eine netteren Polsterung unterscheiden, sondern ein Zug, welcher die gesamte Welt komprimiert. Ganz hinten der Absatz der Gesellschaft, kriegt weniger als die Reste der weiter oben stehenden. Lange nichts. Die etwas gehobenere Arbeiterklasse. Guter Durchschnitt. Menschen die sich Freude leisten können. Und in der Zugspitze diejenigen die alles steuern, von allem mehr als genug haben und denken, die andere Seite verstehen zu können.
“Know your place, keep your place!”
Doch kann man das überhaupt, etwas verstehen, dass man in dem Moment gar nicht selber erlebt bzw. fühlt? Politiker denken sehr oft, dass sie sie das richtige tun, einfach weil sie vermuten, dass sie es in der Situation auch so haben wollen würden, doch ist die Wahrheit, dass die meisten Politiker nie erfahren werden, was es heißt auf der anderen Seite zu stehen. Fakt ist jedoch auch, dass sich eben diese andere Seite nicht ewig mit dem zufrieden geben wird, was sie hat. Was nämlich nichts ist. Es kommt zu einer französischen Revolution, einer Umkrempelung des Systems. Anführer Curtis (Chris Evans / Captain America) führt sie an, mit der ewigen Konfrontation, ob er im Endeffekt nicht genau das ist, was er bekämpfen möchte. Und das ist ein wirklich interessanter und wichtiger Gedanke. Gibt es überhaupt einen Menschen, der das richtige tun kann, um die Welt besser zu machen? Die Antwort die SNOWPIERCER andeutet und die man sich selber geben kann ist nein, denn Menschen lassen sich nicht kontrollieren, irgendwer lenkt immer gegen den Strom - so wie es Curtis hier tut. Und was passiert dann? Es kommt zu Bürgerkriegen, Kriegen überhaupt, kompletter Zerstörung - einem entgleisten Zug.
Die Realität, welche man tagtäglich in den Nachrichten sieht, wurde trotz der heftigen Inszenierungen doch so unfassbar lebensnah umgesetzt, dass man ein paar mal kräftig schlucken muss. Und das ist gut so, denn man sollte sich immer wieder bewusst werden, wie gut es einem doch geht, dass man selber nicht einmal in der Nähe vom Ende des Zuges steckt, sondern mindestens im mittleren Teil. Was noch deutlicher gemacht werden soll: Geradlinig denken ist scheiße. Genauso wie ein Zug der immer wieder im Kreis fährt. Denn von irgendwo müssen ja die Mittel kommen, die das ganze bewerkstelligen. Und hier liegt einer der Knackpunkte. Das ist kein Aufruf zur Anarchie, sondern zum Anders-Denken. Eine Tugend, die immer mehr verloren geht. Ob nun Curtis oder derjenige der auf der anderen Seite steht - vielleicht liegen ja beide falsch? SNOWPIERCER ist ein Aufruf zum Kopf einschalten, zum selber nachdenken.
"This is the world. The train saved humanity. The engine lasts forever. The population must always be kept in balance."
Joon-Ho Bong spricht auf filmisch kreative Art und Weise aber auch das an, was sich viele von uns sowieso denken mögen: Reicht es nicht mal so langsam mit der Menschheit? Jedenfalls mit der aktuellen, der Planet geht wegen uns zu Grunde, möglicherweise sollte es einen Neustart geben. Etwas das in der echten Welt vollkommen absurd klingt, wird von SNOWPIERCER auf wunderschöne Weise kreiert. Und das macht aus diesem Film nicht nur einen guten, sondern einen perfekten. Man hat nicht nur das Leben adaptiert, sondern weitergeführt. Ein was-wäre-wenn-Szenario erschaffen. Ohne zu viel verraten ein Szenario, das in seiner Genialität ein Happy End oder das Gegenteil sein kann.
SNOWPIERCER ist eine dystopische Sci-Fi-Offenbarung die sowohl harte Realität als auch Fünkchen Hoffnung und Humor, aber vor allem Möglichkeiten miteinander verbindet. Denn wenn man hier etwas lernt, dann nicht dass es Schwarz und Weiß gibt, sondern so viel mehr.
9.0/10
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